Ernährung ist mehr als Essen und Trinken
Corona, Streß, Snacks und hochprozessierte Lebensmittel
Ganz Deutschland ist in der Pandemie gefangen und halb Deutschland sitzt im Home-Office. Ok, nicht halb Deutschland, aber der Anteil an mobiler Arbeit steigt, nicht nur der gutgemeinten Apelle wegen, ständig. Und es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass zumindest ein Teil der Arbeitsplätze dauerhaft nach Hause verlegt werden.
Routinen des Alltags lösen sich auf, die Arbeitssituation verändert sich nachhaltig, sportlicher Ausgleich, zumindest im Fitneßstudio, entfällt und es lauern vielfältige Gefahren für die Ernährung.
Das Robert Koch-Institut[1] gibt an, dass das mittlere Körpergewicht der Deutschen zwischen April bis August um 1,41% bzw. 1,1kg zugenommen hat. Die Gewichtszunahme von einem Kilogramm erscheint zunächst nicht weiter bemerkenswert, der durchschnittliche Wert in Deutschland aus den Jahren 1994 bis 2007 hat jedoch gezeigt, dass die mittlere Gewichtszunahme pro Jahr in der Allgemeinbevölkerung im Alter von 45 bis 64 Jahren nur 250g bei Männern und 240g bei Frauen beträgt.
KALORIENFALLE HOME-OFFICE?
Die Vermutung, dass die Kalorienfalle im Home-Office lauert, ist jedoch falsch. Ganz im Gegenteil wird mehrheitlich angegeben, dass sich die Ernährung zu Hause verbessert hat und wesentlich öfter gemeinsam und frisch gekocht wird, auch werden Mahlzeiten daheim weniger häufig am Arbeitsplatz eingenommen, als es im Büro der Fall ist. Dennoch gibt nur eine Minderheit an, sich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen.
STRESS
Übereinstimmend ist für uns alle jedoch ein Faktor gestiegen, nämlich der Streß und die psychische Belastung durch die Pandemie mit den einhergehenden Einflüssen jeglicher Art.
Alarmierend sind weiterhin zwei essentielle Faktoren: das Naschen „ungesunder“ Snacks und das Unwissen um den tatsächlichen Kalorienbedarf. Ebenso spielt eine Rolle, dass weniger Sport betrieben wird und hier verführt das Home-Office offenbar mehr zu Bequemlichkeit. Der Schritt vom Monitor zum Fernseher scheint verlockender als der vor die Tür. Dies gilt im städtischen sogar mehr als im ländlichen Umfeld.
SNACKS
Und hier schlägt, in Kombination mit dem Faktor Streß, die große Stunde der kleinen Snacks, egal ob süß oder salzig, sie vermasseln die schöne Kalorienbilanz. Alles was schnell geht, gleich ob Schokoriegel, Convenience oder auch die breite Palette von Fast-Food. Snacks sind vorwiegend hochprozessierte Lebensmittel, d.h. sie sind hochenergetisch und verführen durch ihre Zusammensetzung und ein ausgelöstes Gefühl der Belohnung gerne zu einem Überessen.
Als Beispiel dient Obstkuchen: im Vergleich zum frischen Obst, das als Snack zur Verfügung stünde, gilt der Obstkuchen als hochprozessiert. Im Teig wird raffiniertes Mehl ohne Ballaststoffe verwendet, es ist hochenergetisch, ihm fehlen aber Eiweiß, Mineralstoffe und Spurenelemente. Dem Obst für unseren Kuchen wird eine große Menge raffinierter Zucker hinzugefügt, damit es während des Backens weniger wässert. Wenn der Kuchen dann noch glasiert ist…
Mit dem Kuchen werden so in sehr kurzer Zeit sehr viele Kalorien aufgenommen und das natürliche Sättigungsgefühl des Magens setzt erheblich zu spät ein. Weniger verarbeitete Snacks enthalten mehr Ballaststoffe, Fasern und auch Wasser, sodass einfach durch die Aufnahme von mehr Masse (bei weniger Kalorien) die Sättigung früher einsetzt.
LUST
Die „salzige“ Kombination von Fett, Kohlenhydraten (und trotzdem auch Zucker) in beispielsweise Chips löst durch die körpereigenen Botenstoffe Dopamin und Serotonin quasi ein Glücksgefühl aus, das nach „mehr“ verlangt, das Produkt hochattraktiv macht und immer wieder Lust darauf auslöst. Ein Problem, denn der menschliche Organismus kennt nicht nur Hunger, er kennt auch Appetit bzw. die Lust am oder auf ein bestimmtes Essen. Hunger kann rasch gestillt werden, mit der Lust verhält es sich leider ganz anders.
Apropos: die Lust auf einen Schokoriegel mit durchschnittlich 62,5g bringt 300kcal, ein Cheeseburger mit 120g ebenfalls, ein Müsliriegel mit 55g birgt ca. 210kcal. Ein Apfel enthält auch Zucker (Fruktose), hat aber nur 52kcal.
Grundsätzlich helfen Proteinhaltige Snacks besser über den kleinen Hunger zwischendurch, bei gekauften Produkten sollte allerdings immer auf den Zuckergehalt geachtet werden. Selbstmachen ist weder schwer noch aufwendig, ein paar Gemüsesticks sind schnell geschnitten und der Hummusdipp dazu dauert max. 15 Minuten. Hafer- oder Dinkelkekse lassen sich prima auf Vorrat backen und eine selbstgemachte Erdnußbutter dazu ist ein Gedicht und nur eine kleine Sünde.
KALORIEN
Zur Abwägung: der tägliche Kalorienumsatz einer im Büro tätigen, 40jährigen Frau bei einer Größe von 170cm und 70kg Körpergewicht beträgt durchschnittlich 2.084kcal, ein 40jähriger Mann, 185cm groß und 95kg schwer, ebenfalls im Büro tätig, setzt 2.840kcal um.
Und jetzt?
- Fakten schaffen. Wieviel Kalorien verbrauche ich? Das lässt sich im Netz ganz schnell und individuell berechnen.
- Apps, teils auch kostenlos, helfen dabei, den täglichen Kalorienbedarf zu managen und dabei lassen sich sogar Zielvorgaben einstellen. So kann die Strategie sein, das Gewicht zu halten oder zu reduzieren, sogar die gezielte Zunahme ist möglich.
- Regelmäßig essen, feste Zeiten und Rituale in der Küche und am Tisch einhalten, das ist, besonders im familiären Umfeld, ganz wichtig.
- Mahlzeiten sollten ganz bewusst und im Voraus geplant werden, das hilft auch gegen Lebensmittelverschwendung und schont den Geldbeutel.
- Bewusst snacken. Lieber ein Stück Obst als o.g. Alternativen.
- Bewegung (an der frischen Luft) regt den Kalorienumsatz an, reguliert den Vitamin D Haushalt und setzt, regelmäßig betrieben, tatsächlich auch positiv stimulierende Botenstoffe frei!
[1] Quelle: RKI, Journal of Health Monitoring, Ausgabe 4