Nachhaltig ist das neue Normal

Nachhaltigkeit ist mehr als ein Modewort. Im Veranstaltungsbereich sind vor allem die Begrifflichkeiten „Green Meeting“ und „CO2-Fußabdruck“ in aller Munde. Doch echte Nachhaltigkeit geht über reine Lippenbekenntnisse hinaus. Einmal mehr, seit 2017 die Corporate Social Responsibility-Berichtspflicht (CSR) gilt und damit Agenturen, Messebauer, Ausstatter und Caterer gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Doch wo fängt Nachhaltigkeit an? Wann ist ein Veranstaltungskonzept wirklich stimmig? Und warum spielt das Catering dabei eine so wichtige Rolle? Wir haben bei Branchenplayern nachgefragt.

Catering als Hebel zu mehr Nachhaltigkeit

Fakt ist: Neben der Anfahrt hinterlässt bei Veranstaltungen das Catering den größten ökologischen Fußabdruck. Dazu ein Beispiel: 50% der bestellten Services im Catering bauen nach wie vor auf ein konventionelles Buffet. Bei dieser Darreichungsform werden Speisen von etwa 1,3 kg pro Gast vorgehalten, wovon wiederum 15-25% nicht verzehrt werden und zusammen mit der reservierten Speisemenge im Wirtschaftsbereich – in der Regel weitere 10-15 % – am Ende des Tages sprichwörtlich in der Tonne landen. „Bei einer Veranstaltung mit Buffet werden pro 100 Personen somit bis zu 40 kg Speisen vernichtet und bis zu 883,80 Euro aus dem Fenster, sprich in den Speiserestebehälter geworfen“, sagt May und stützt sich dabei auf Erhebungen von bttr.live.

Eine nicht unwesentliche Facette, denn entgegen der landläufigen Meinung, dass Nachhaltigkeit gleich teuer heißt, birgt ein entsprechend geplantes und ausgeführtes Catering ein Einsparpotenzial von bis zu 20 % gegenüber der konventionellen Planung – von den positiven Auswirkungen auf Klima, Tierwohl und Gesellschaft einmal abgesehen. Was viele vergessen: Die Preisdifferenz zwischen einem normalen und einem nachhaltigen Catering erklärt sich auch durch die verdeckten ‚wahren’ Kosten für konventionelles Essen – den Preis für zu beseitigende Müllberge, dazu zählen auch Einweggeschirr und Verpackungen, und eine weder an der menschlichen noch an der Tiergesundheit orientierten Fleischproduktion zahlen als Gesellschaft am Ende wir alle.

Nachhaltigkeit erleben

Wie das mit Modeworten so ist, triggern sie auf vielfältige Weise. Dazu zählt auch ein latentes Gefühl der Bevormundung. Bei Events kommt es daher primär darauf an, verantwortungsvolles Handeln für Teilnehmer „unaufdringlich erlebbar zu machen und sie in den Nachhaltigkeitsprozess der Veranstaltung mit einzubinden“, erklärt May. Denn wird ein Catering unter nachhaltigen Gesichtspunkten geplant und realisiert, wird auch das Thema selbst erlebbar. „Vor allem beim kulinarischen Teil einer Veranstaltung besteht generell eine hohe Dialogbereitschaft, was den unmittelbaren Kontakt zu und zwischen Teilnehmenden sowie das Gespräch über nachhaltige Maßnahmen fördert. Diese Kommunikation, davon ist May überzeugt, kann die Attraktivität dieser Cateringstrategie erhöhen und persönliche Gewohnheiten ändern.“

Wann ist nachhaltiges Catering wirklich nachhaltig?

Nachhaltigkeit ist keine Insel. Kein singulärer Aspekt, sondern ein Konzept, das die gesamte Wertschöpfungskette einbezieht. Das fängt schon bei der Auswahl des Catering-Unternehmens an: Neben der Einhaltung ökologischer Standards des Caterers sowie der Produktqualität nennt Jürgen May als wesentliche Faktoren die Energiebilanz, die sozialen Rahmenbedingungen, die Effizienzsteigerung bei Küchenabläufen, die konsequente Abfalltrennung und -vermeidung sowie Logistikwege: Regionale Artikel etwa sind nicht nur nachhaltiger, sondern eben auch kostengünstiger, was Transportkosten betrifft. Besonderes Augenmerk jedoch sollte auf einer transparenten Herkunft der Lebensmittel liegen. „Sicherheit bei der Auswahl geben Öko-Audits, als Qualitätsmerkmal im Catering gelten die Aspekte Regionalität, Saisonalität, Ökologie und Fairness.“

Es müssen also nicht die Erdbeeren im Winter sein. Doch auch das Cateringformat selbst ist relevant. Tellergerichte oder Flying Buffets beispielsweise reduzieren Lebensmittelabfälle im Vergleich zum klassischen Buffet um bis zu 30 %. Die budgetären Vorteile liegen ebenfalls auf der Hand: Statt mit durchschnittlich 1,3 kg Speisen pro Gast muss bei dieser Ausgabeform mit nur 690-800 g pro Kopf kalkuliert werden. Entscheidend für die Reduzierung von Lebensmittelabfall ist dabei eine kluge Planung, die das Gästeprofil berücksichtigt: Wie hoch ist der Frauen- und Männeranteil? Wie hoch die Anzahl der Vegetarier oder Veganer? Gibt es kulturelle Spezifika? Welche Lebensmittelallergien sind gängig? Diese theoretische Planung, so Christian Lehnert von bttr.live, „ist eminent wichtig für Veranstaltungen jeglicher Größe. Bei größeren Veranstaltungen gestaltet sich die passgenaue Planung sogar leichter als bei kleinen, da die Teilnehmergruppe mit zunehmender Größe homogener wird. Dabei darf die Kommunikation mit dem Gast, gerade bei einzuführenden Neuerungen, nicht vergessen werden.“

Übrigens: Erfolgt die Zusammenstellung eines Caterings aus regionalen, saisonalen und ökologischen Lebensmitteln und ist sie darüber hinaus vegetarisch oder vegan ausgelegt, „ist dies sicherlich die höchste Stufe der Nachhaltigkeit beim Catering“, erklärt Jürgen May und verweist damit zusätzlich auf das Faktum, dass allein die Produktion von Fleisch- und Milchprodukten über 15 % der weltweiten Treibhausgase verursacht. Das ist auch immer mehr Konsumenten bewusst, die Wert auf gesundes, wertvolles Essen ohne schlechtes Gewissen legen. Anders gesagt: „Mit einem guten Gewissen schmeckt’s einfach doppelt so gut.“

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Das Catering ist bei Veranstaltungen immer ein Querschnittsthema: „Stimmig ist ein Konzept nur“, so May, „wenn die gesamte Veranstaltung unter nachhaltigen Gesichtspunkten geplant und umgesetzt wird.“ Das umfasst die Auswahl einer nachhaltig aufgestellten Location, die emissionsarme An- und Abreiseplanung, Barrierefreiheit und vieles mehr. Hier stellt sich natürlich immer auch die Frage, welche Handlungsfelder beeinflussbar sind und welche Relevanz sie jeweils für Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie haben. Die wohl größte Herausforderung jedoch liegt darin, dass Nachhaltigkeit sich in der Veranstaltungswirtschaft von einer „Nice-to-have“-Option zum „Must-have“-Standard entwickelt. Engagement und Herzblut sind nicht mehr ausreichend, echte Nachhaltigkeit braucht ein betriebliches Managementsystem. „Nachweise zu den Ressourcenverbräuchen und der Herkunft der eingesetzten Waren ist nur eine Seite der Anforderungen der Auftraggeber“, erklärt May. „Noch stärker gefordert werden im Rahmen der EU-Berichtspflicht Informationen zur Umwelt-, Sozial- und Gesundheitspolitik sowie zur Geschäftsethik seitens der Auftraggeber.“ Sind die Defizite zu groß, droht der Ausschluss als Lieferant und eine Sperre für die Teilnahme an Ausschreibungen oder Wettbewerbspräsentationen.

Fazit: Glaubwürdigkeit, Authentizität und Transparenz

Nachhaltiges Catering hat Vorbildfunktion. Immer mehr Unternehmen und Konzerne sind sich ihrer Verantwortung bewusst und fragen Services und Konzepte nach, die eine nachhaltige Marken-DNA transportieren. Damit trägt die Branche massiv zu einer Transformation im Denken bei. Ganz einfach indem sie zeigt, dass es beim Thema Nachhaltigkeit nicht um Verzicht geht. Sondern um Glaubwürdigkeit, Authentizität und Transparenz.

Vielen Dank an Dominik Deubner vom MICE-Club für das Gespräch – die ungekürzte Fassung finden Sie hier!

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